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10.05.2023

Coiffeure bieten Safe Spaces für LGBTQ-Kund*innen

Durch Dialog, Begleitung und Toleranz können Friseursalons sichere Orte für LGBTQ-Kund*innen sein.

LGBTQ, also Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Queer, ist in aller Munde. Das Symbol der Vielfalt – die Regenbogenfarben – sind allgegenwärtig. „Es wird viel über das Thema gesprochen und oft hört man den Vorwurf, das sei zu viel.“ Diese Beobachtung macht Kay Schneider, Friseurmeister aus Bremen. Er selbst ist in einer LGBTQ-Gemeinde aktiv. Zudem engagiert er sich mit Haarschneide-Aktionen und Spenden bei „Rat und Tat“, einer Anlaufstelle für LGBTQ-Mitglieder, und hat viele transsexuelle Freund*innen.

 „Aus meiner Erfahrung weiß ich: Man muss über das Thema sprechen. Denn für viele ist ihre sexuelle Orientierung oder ihre Geschlechtsidentität immer noch mit einem Stigma behaftet.“ Was viele nicht wüssten: Die Selbstmordrate unter Transgender-Personen sei sehr hoch, viele verlören ihren Job, wenn sie sich outeten. „Ich bin in Cuxhaven groß geworden. Damals hätte ich mir mehr Offenheit gewünscht und damit auch die Möglichkeit, freier mit meiner eigenen Homosexualität umzugehen“, sagt Kay Schneider. Umso wichtiger ist es für ihn heute, LGBTQ-Kund*innen in seinem Salon einen geschützten Raum zu bieten, wo sie akzeptiert werden.

 

Die Suche nach dem passenden Salon

„Frisuren sind ein intimer Teil des Selbstkonzepts und damit auch ein wichtiger Faktor bei der Selbstverwirklichung“, sagt Nikbin Rohany, CEO des Buchungssoftware-Anbieters Shore. Friseure als Berufsgruppe seien daher für LGBTQ-Kund*innen von großer Relevanz.

Hürden könnten für LGBTQ-Kund*innen schon bei der Salonsuche, der Buchung, telefonischen Beratung oder der Preisgestaltung bestehen. Deshalb seien zum Beispiel eine genderneutrale Sprache auf Buchungsplattform, Website oder in Social Media und eine Preisgestaltung nach Aufwand gute Voraussetzungen, um einen „Safe Space“ für LGBTQ-Kund*innen zu bieten.

Nach Aufwand und Zeit berechnen

Teresa Hofmeister zählt in ihrem Salon „Reza Hair“ in Berlin-Mitte viele non-binäre, queere Menschen oder auch Drag Queens zu ihren Kund*innen. „Bei uns ist das Thema unglaublich präsent. In Berlin leben die Menschen, um sich freier zu fühlen. Da ist es ganz wichtig, dass wir nichts durcheinanderbringen. Das fängt schon bei der Onlinebuchung an“, sagt sie. Im Team hätten sie lange über das Thema gesprochen und festgelegt, dass es keine Einteilung mehr in Herren und Damen geben könne. Gebucht und berechnet wird nur nach Zeit und Aufwand.

Ihre erste Begegnung mit dem Thema hatte „Reza“ als Mitarbeiterin im Salon von Klaus Peter Ochs. „Wir hatten damals eine lesbische Kundin, die sich darüber beschwert hat, dass sie für einen Maschinenhaarschnitt 30 Euro mehr bezahlen sollte, als ein Mann bezahlt hätte. Mein Chef damals gab ihr recht, und wir haben das Preissystem generell in Frage gestellt“, erzählt sie.

In ihrem Salon dürfe sie sich den Schuh gar nicht anziehen. Sie wolle offen und transparent sein, auch in der Beratung und Kommunikation. „Wir haben viele Männer, die Beachwaves und Make-up bekommen. Es ist auch für sie völlig normal, dass sie nach Aufwand bezahlen. Jede/r Handwerker*in arbeitet so. Die Dienstleistung ist entscheidend, dann gibt es auch keine Geschlechterdiskussionen“, so Reza.

Die Gefühlsebene ist wichtig

Ähnlich sieht es Dirk Schlobach, Geschäftsführer von Barber House. Auch bei ihm entscheidet das Handwerkliche. Die Zielgruppenansprache ist bei Barber House natürlich klar gefasst. Wir wollten wissen: Wie geht man in einem reinen Männersalon mit Anfragen von LGBTQ-Kund*innen um? „Fest steht: Wir machen weder Hochsteckfrisuren noch Dauerwelle“, so Dirk Schlobach. Geschlechtsneutrale Kund*innen buchen im Barber House genauso wie Schwule, die ca. 20 Prozent der Kundschaft in den Münchner und Hamburger Salons ausmachen.

Entscheidend sei zunächst, was die Friseure und Barbiere an Handwerklichem anbieten können. Bei einer telefonischen Anfrage wird zuerst das geprüft. Will der Kunde Kurzhaarschnitt oder Rasur, passt das schon mal. Dann komme die Gefühlsebene ins Spiel. „Wir vermitteln klar: ‚Wir sind ein reiner Männersalon, das ist unser Konzept. Sie sind unter Männern. Ist das okay für Sie?‘ Die Kunden sollen sich bei uns wohlfühlen, das ist das Wichtigste“, sagt Dirk Schlobach. Und deshalb sei es auch wichtig, vorab offen über die Bedürfnisse zu sprechen.

In Sachen Ansprache und Umgang mit LGBTQ-Kund*innnen – ob am Telefon oder im Salon – hat Kay Schneider eine klare Meinung. „Wenn nicht gleich erkennbar ist, welchem Geschlecht ich angehöre, ich aber als Kundin oder Kunde mit einem bestimmten Pronomen angesprochen werden will, muss ich das auch sagen. Auch von einem Veganer erwarte ich, dass er sich zu erkennen gibt, wenn er anders behandelt werden will.“

Mit einem Regenbogen-Emblem am Schaufenster zeigt der Friseur, dass sein Salon ein offener Ort für LGBTQ-Kund*innen ist. Aber zur Offenheit gehöre auch eine offene Kommunikation, findet er. Bei der Preisgestaltung wird im Kay-Schneider-Salon individuell entschieden. „Wir haben tatsächlich noch eine Preisliste nach Herren und Damen, tasten uns aber langsam an etwas Passenderes heran“, so Schneider.

Toleranz auf beiden Seiten

Regenbogen-Symbole, wie Kay Schneider sie am Schaufenster angebracht hat, oder Sticker im Salon unterstreichen eine LGBTQ-freundliche Haltung. Doch kann man diese Haltung vom gesamten Salonteam fordern? Eine schwierige Frage, findet Dirk Schlobach. Man brauche Sensibilität für beide Seiten und es gebe eben Kulturen, in denen anders mit dem Thema umgegangen werde. „Auch hier muss ich tolerant sein und kann nicht jeden im Team LGBTQ-Kund*innen bedienen lassen“, sagt er.

Auch Kay Schneider ist der Meinung, dass hier Respekt, Verständnis und Fingerspitzengefühl gefragt seien. „Ich verdonnere niemanden, etwas zu tun, was er nicht will.“ Natürlich gebe es Kolleg*innen, die Berührungsängste haben oder einfach ein komisches Gefühl. Auch darauf müsse man Rücksicht nehmen. „Wir sind 20 Leute und jeder ist ebenso individuell wie unsere Kund*innen. Jeder soll sich wohlfühlen, auch unsere Mitarbeiter*innen.“

Dankbare, treue Kund*innen

Herrenkunden auf dem Weg zum Frauwerden begleiten – das gehört für Kay Schneider zu seiner Aufgabe als Friseur. Das beginne bei den Fragen: Wie lasse ich meine Haare lang wachsen? Wie verwende ich Make-up? Aber auch: Was verändert sich, wenn ich Hormone nehme? Was muss ich dabei beachten? Über einige Transgender-Freund*innen, die den Weg schon gegangen sind, kennt Kay Schneider die Stolpersteine. Haarausfall oder vermehrter Haarwuchs seien Themen, bei denen man mit sehr viel Fingerspitzengefühl beraten müsse. „Manche Kund*innen haben das Glück, eigene Haare zu haben, doch manchmal ist es eben auch eine Glatze, und es gilt, Ideen zu finden, um die Kund*innen glücklich zu machen.“ Zum Beispiel vorübergehend mit einem kleinen Haarteil zu arbeiten. Friseur*innen seien die Spezialisten für die Begleitung auf dem Weg.

So habe er beispielsweise einen Kunden ein paar Jahre bei diesem Prozess begleiten dürfen. „Aus Felix wurde Tanja, Juniorchef*in eines großen Traditionsunternehmens. Am Ende habe diese*r sich mit 40 Jahren offiziell im Unternehmen zum ersten Mal bei der Weihnachtsfeier vor 300 Mitarbeiter*innen geoutet. Und war begeistert, dass die es so toll aufgenommen haben. „Bei uns im Salon war sie schon lange vor dem Outing Tanja, und wir haben sie auf diesem Weg stärken und begleiten dürfen“, so Schneider. Letztlich gehe es darum, jeden Kunden im Salon als Mensch zu sehen, und diesen mit allem, was dazugehört, zu betreuen. Unsere Branche ist, was die Freiheit der Geschlechter angeht, ohnehin schon eine sehr offene. Fühlen sich die Menschen aufgehoben und akzeptiert, sind LGBTQ-Kund*innen dankbare Kund*innen, die dem Salon über Jahre hinweg treu sind.

Flagge zeigen

Bei Google können sich Unternehmen als LGBTQ-freundlich eintragen lassen. Dadurch erscheint beim jeweiligen Firmeneintrag bei Google und Google Maps ein entsprechendes Label. So stehen die markierten Firmen für Toleranz, Akzeptanz und Sicherheit für die Community. Die Markierung kann durch vier einfache Schritte über den Google-UnternehmensAccount gesetzt werden:

1. Anmeldung beim Google Unternehmensprofil

2. Aufruf des Google-Dashboards, Registerkarte „Info“

3. Auswahl bei den Listen-Editors, Abschnitt „Attribute hinzufügen“

4. Aktivieren von Attributen, wie „LGBTQ-freundlich“