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19.11.2023

„Reklamationen sind ein Fest!“

Kritik, Einwände, Unzufriedenheit - das klingt nicht gerade nach dem Stoff, aus dem Träume gemacht sind. Für Zita Langenstein schon: „Fordernde Situationen professionell zu meistern gehört zur Kernkompetenz eines Unternehmers und ist ausserdem eine bereichernde Erfahrung“, sagt die Dienstleistungsexpertin.

TOP HAIR Suisse: Was fasziniert Sie an Reklamationen?
Zita Langenstein:
Es ist weitaus befriedigender, wenn ich weiss, dass ich heute eine knifflige Lage entschärfen, ein Problem lösen oder eine verärgerte Kundin zum Lächeln bringen konnte, als wenn ein Tag reibungslos dahinplätschert. Studien zufolge treten die ersten Anzeichen von Betriebsblindheit nach eineinhalb Jahren auf. Reklamationen zeigen uns, wo der Schuh drückt. Sie sind quasi eine Gratis-Betriebsanalyse. Kund*innen, deren Reklamationen zufriedenstellend behandelt wurden, weisen im Anschluss die stärkste Kundenbindung überhaupt auf. Eine Treue, wie sie sich selbst mit Best Service oder super Marketingmassnahmen nur schwerlich erzielen lässt. Obendrein erhält man Ideen und Anregungen zur Verbesserung des eigenen Unternehmens. Was will man mehr?

Dennoch reagieren viele genervt oder mit Schockstarre?
Oft hilft es, die Grundeinstellung zu ändern: Reklamationen helfen uns, Fehlerquellen aufzudecken und besser zu werden. Sie sind keine Ausnahme, sondern Teil unseres Alltags und können jederzeit vorkommen. Wichtig ist, Reklamationen nicht persönlich zu nehmen, sondern auf der Inhaltsebene zu bleiben und alle Anliegen, auch die kleinsten, anerkennend entgegenzunehmen. Bei einem Coiffeurbesuch hörte ich kürzlich, wie sich eine Kundin über die kleinen, schlecht lesbaren Schildchen im Verkaufsbereich beschwerte. Die Reaktion der Coiffeuse: „Da sind Sie die Erste, die das sagt!“ Sehr viel befriedigender für beide Seiten wäre folgende Reaktion: „Vielen Dank. Das ist ein wichtiger Hinweis. Welches Produkt interessiert Sie besonders? Darf ich Ihnen etwas vorlesen?“ Anschliessend klärt man im Team, ob dieser Hinweis schon öfters vorgekommen ist und sucht eine Lösung. Konnte die Schriftgrösse der Schilder geändert werden, so kann man dies der Kundin beim nächsten Besuch zeigen und sich nochmals für ihren Input bedanken. Sie fühlt sich wahrgenommen und wertgeschätzt - die beste Grundlage für eine langfristige Kundenbindung. Analysen haben ergeben, dass Kund*innen zu 68 Prozent wegen mangelnder Aufmerksamkeit den Dienstleister wechseln.

Sie empfehlen ein Tagebuch für Reklamationen?
Darin werden alle Fälle strukturiert notiert, d.h. mit Termin, Name, Inhalt, Reaktion und was wir daraus lernen. Es stellt eine wertvolle Hilfe für den Chef dar, Fehlerquellen zu finden und Handlungsbedarf zu erkennen. Apropos Chef: Er hat Vorbildfunktion. Nur wenn er souverän mit Reklamationen umgeht, können die Mitarbeiter*innen daraus lernen. Ausserdem macht Übung den Meister. Je mehr Reklamationen bearbeitet werden, desto sicherer wird man.

Kann jede*r Mitarbeiter*in Reklamationen bearbeiten?
Nicht jedes Teammitglied eignet sich dafür. Ich glaube, dass etwa 30 Prozent der Mitarbeitenden dies wirklich können. Hervorragend machen dies Personen mit Erfahrung und einer gesunden Portion Sicherheit oder Selbstwertgefühl. Doch jede*r im Team sollte Reklamationen aufnehmen und bei Bedarf Hilfe holen können.

Zita Langensteins Sieben-Punkte-Plan

1. Reklamation neutral oder positiv entgegennehmen
„Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.“
„Danke, dass Sie mir das direkt sagen.“

2. Verständnis zeigen, genau zuhören. Nicken und Blickkontakt pflegen
„Danke, ich habe verstanden, was Sie meinen.“
„Ich verstehe Ihren Ärger.“

3. Sicher kommunizieren
„Frau Ballmer, ich möchte Ihnen ein Vorgehen empfehlen.“
„Peter, bitte lass mich einen Moment überlegen. Ich möchte eine gute Lösung für Dich finden.“
„Herr Meier, ich gehe jetzt zu meinem Kollegen, weil ich mich mit ihm dazu kurz austauschen möchte. Ich bin gleich wieder da.“

4. Lösung mit dem Kunden besprechen
Fragen, ob ihm eine Lösung vorgeschlagen werden darf und dann gemeinsam für einen Weg entscheiden.
„Herr Baumann, folgende Möglichkeiten habe ich, die ich gerne mit Ihnen anschauen möchte.“
„Frau Baumer, wir stehen vor folgender Situation… Was meinen Sie dazu?“

5. Um Entschuldigung bitten und zusammenfassen
„Herr Feigel, es tut mir leid, dass das passiert ist. Mein Vorgesetzter kommt gleich, um eine Lösung mit Ihnen zu besprechen.“

6. Vereinbarte Punkte umsetzen und den Kunden informieren

7. Nachkontrolle
Beim Kunden nachfragen, wie die Situation für ihn aussieht.

Zita Langenstein, „Zita the Butler“
Die gebürtige Nidwaldnerin ist Leiterin Weiterbildung bei GastroSuisse und regelmässig im Buckingham Palace im Einsatz. Sie machte zunächst eine Ausbildung in der Gastronomie und der Hotellerie, bevor sie die weltbeste Butlerschule besuchte: die „Ivor Spencer School“ in London. Ihre Abschlussarbeit „Traditional Afternoon Tea Swiss Style“ durfte sie der Queen höchstpersönlich vorstellen. Seither dient Zita Langenstein regelmässig bei Empfängen im Buckingham Palace - stets in Frack und weissen Handschuhen. www.zitathebutler.ch

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