Noogie Thai, Aletta Helsper (TOP HAIR), Daniel Birke (v. l.) >< Foto: Julian Wendt

17.06.2022

Daniel Birke und Noogie Thai über Trends, die Emmy Awards und Frisuren-Desaster

Die Themen: Amis lieben Mullets. Haarfarben werden wärmer. Festival-Must-have Haar-Accessoires. Shit happens: Frisuren-Unfälle. In Seeheim-Jugenheim haben wir Noogie Thai, Paul Mitchell Editorial Director aus Los Angeles, und Wild Beauty Akademieleiter Daniel Birke getroffen.

TOP HAIR: Noogie, du bist ein Paul Mitchell (PM)-„Eigengewächs“. Du hast die PM School in den USA absolviert und bist zum Editorial Director aufgestiegen. Wie sieht dein Job aus?
Noogie Thai:
Hauptsächlich mache ich Fotoshootings und Education. Bei 90 – 95 Prozent der offiziellen Bilder bin ich involviert: Mit meinen Händen, mit Haarspray, einem Kamm, oder ich war einfach am Set. Ich achte darauf, dass die Frisuren die Marke bestmöglich repräsentieren, stelle die Verbindung zum Marketing, den Produkten, Salons und Kunden her, sodass alles geschlossen ineinandergreift. Außerdem arbeite ich fürs Salon Development, wo wir viel Weiterbildung und Events für die Salons machen.

TOP HAIR: Ihr beide habt für die weltweite PM-Kampagne zusammengearbeitet. Wie groß ist die Herausforderung, Looks zu schaffen, durch die sich jede Region angesprochen fühlt? Denn es gibt ja schon lokale Unterschiede zwischen Asien, Europa und den USA.
Noogie: Die Looks sind als Ausgangspunkt zu verstehen, nicht als Schablone. Darin sind Elemente enthalten, die Trends in allen Regionen ansprechen können. Die klare Disconnection im Bereich der Wange des Looks von Daniel (siehe Workshop-Foto mit Daniel Birke) ist z. B. in Asien sehr beliebt, aber Deutschland hat ihn in die Kollektion eingebracht.

TOP HAIR: Friseure äußern immer wieder, dass Trends durch Social Media universell werden. Stimmt ihr dem zu?
Noogie:
Social Media hat Trends stark verändert und beeinflusst. Früher gab es immer einen Megatrend, der hervorstach. Aber durch Social Media gibt es so viele Gruppen und man erreicht so schnell so viele Menschen. Deshalb gibt es aktuell viele kurzlebige Minitrends.
Daniel Birke: Ich ziehe den Vergleich zur Modeindustrie. Früher hieß es: Alle tragen jetzt schwarz. Dann fokussierte man sich stärker auf die Looks der Designer. Die Looks wurden viel individueller. In der Friseurbranche sind wir nun am selben Punkt angelangt. Alles ist so individuell für jeden geworden. Auf Social Media siehst du verschiedene Gruppen mit ihren eigenen Mikrotrends. So können klassische Haarschnitte im Trend liegen, und gleichzeitig gibt es sehr kreative Schnitte und Farben. Beide Trends existieren nebeneinander.

TOP HAIR: Welche Trends würdet ihr gerne öfter sehen?
Noogie:
Ich entdecke aktuell etwas mehr Kupferrot, aber vielleicht sehe ich es auch nur, weil ich es sehen möchte. Kupfer, nicht zu intensiv, Manderine, Erdbeerblond mit ein bisschen mehr Rot drin, so etwas liebe ich.
Daniel: Die Farbtrends ändern sich ein bisschen. Blickt man auf die letzten zehn Jahre zurück, sieht man Granny Hair. Jeder wollte Aschtöne, Farbtöne mit Blauanteil, richtig graues Haar. Gerade wandelt es sich dahingehend, dass wieder etwas mehr Gold in die Farbe kommt, ein bisschen mehr Wärme. Den kühlen Nuancen geben wir Pearltöne hinzu, wir mischen Asch und Gold zusammen, sodass man einen Farbton dazwischen erhält.
Noogie: Das kann ich bestätigen, auch bei mir selbst. Vor der Pandemie habe ich mir die Haare immer in verschiedenen Grautönen gefärbt. Seit der Pandemie bin ich blond. In den letzten zwei Jahren war man so isoliert. Alles war so kalt, nicht hinsichtlich des Wetters, sondern sozial. Deshalb habe ich mich erwärmt. Ich sehe kaum noch Grau und Asch, ich sehe viel mehr Wärme auch beim Blond. Nicht komplett Gold, aber etwas wärmere Farben.

TOP HAIR: Seht ihr auch Veränderungen im Schnitt?
Daniel:
Es wird etwas experimenteller. Man sieht verschiedene Formen. Einzelne Sections werden vielleicht etwas kürzer geschnitten, während andere länger bleiben. Es sieht nicht zu gestylt aus. Alles fügt sich ineinander. Man erkennt Mikrotrends in klassischen Haarschnitten, kleine Veränderungen, die den Schnitt besonders machen.
Noogie: Ich sehe unglaublich viele Menschen, die ihre Haare haben wachsen lassen, und viele haben es lieben gelernt. Sie wollen keine drastischen Änderungen, eher mehr Bewegung, oder einen Pony, oder Stufen. Daneben gibt es natürlich auch Kurzhaarfrisuren. Aber in Amerika hat die Pandemie viele Mullets hervorgebracht. Ich trage jetzt ebenfalls Mullet.

TOP HAIR: Es gibt wieder Festivals. Wird sich das auf das Hairstyling im Salon auswirken?
Noogie:
Wir werden wohl mehr Accessoires sehen. Die Menschen wollen wieder etwas Besonderes tragen, dekorative Elemente im Haar zeigen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass man zwei Jahre kaum Gelegenheit dazu hatte.
Daniel: Dem stimme ich zu. Es gab einfach keine Events, und nun wollen die Menschen sich wieder aufstylen, weil sie das in den letzten zwei Jahren nicht konnten. Es wird wieder glamouröser. Man lässt sich auch wieder mehr im Salon stylen, weil es Events am Wochenende gibt.

TOP HAIR: Wo wir gerade über Glamour sprechen. Noogie, du hast den Emmy Award gewonnen. Das muss ein toller Moment in deiner Karriere gewesen sein.
Noogie:
Ja. Aber eigentlich ist es eine lustige Geschichte. Wir, das Hair & Make-up-Team der US-Talkshow „The Real“, sind schon in früheren Jahren nominiert gewesen. Man putzt sich raus, geht über den roten Teppich, hat eine Feier, aber nie haben wir gewonnen. Diesmal wurden wir direkt vor der Pandemie nominiert, die Verleihung fand ohne Feier statt. Deshalb hatte ich diesmal dem Ganzen gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. Ich kannte zwar den Termin, hab aber nicht mal den Fernseher angestellt, sondern nur auf Instagram geschaut, ob das Team irgendwas dazu gepostet hat. Das war nicht der Fall, und ich dachte wir hätten verloren. Also hab ich zu Hause ein Nickerchen gemacht. Als ich eine Stunde später wieder wach wurde, hatte ich einige verpasste Anrufe und unser Teamleiter rief mich an, um mir mitzuteilen, dass wir den Emmy gewonnen hatten. So habe ich davon erfahren: verschlafen, Haare auf halb acht, in Shorts und Tanktop – total glamourös!

TOP HAIR: Aber diese Geschichte wirst du sicher nie vergessen! Wie sieht dein Job bei der Show aus?
Noogie:
Ich style eine der Moderatorinnen. Ich bin kurz nach 5 Uhr am Set und mache ihre Haare. Auch während der Show und in der Pause kümmere ich mich um sie. Die Show läuf t täglich, aber ich bin an drei Tagen involviert.

TOP HAIR: Schlagen wir den Bogen vom besten Hairstyling zum übelsten: Was war dein schlimmster Frisuren-Unfall?
Noogie:
Einer meiner schlimmsten Momente, hat mir gezeigt, wie wichtig Beratung ist. Meine Kopfform ist etwas speziell und selbst bei einem Fade muss man auf verschiedene Längen auf beiden Seiten achten. Ich ging zu einem Barber und sagte, ich wolle es an den Seiten etwas kürzer bis zur Hutlinie und am Oberkopf solle es lang bleiben. Der Barber rasierte bis zur Hutlinie los und fragte: ,Ist das kurz genug?‘ Und ich rief: ,Da ist kein Haar mehr übrig! Kürzer geht nicht mehr!‘ Es sah an den Seiten aus wie rasiert und oben drauf wie ein Toupet. Zu Hause habe ich versucht, das Beste draus zu machen und nachgeschnitten. Aber es wurde einfach immer nur schlimmer. Am Ende habe ich mich kahl geschoren und gewartet, dass es nachwächst. Hier habe ich selbst erlebt, wie wichtig Beratung ist.

Mein schlimmster „Arbeitsunfall“ war ebenfalls lehrreich für mich: Ganz egal, wie groß dein Talent ist, es gibt immer eine Klientel für dich, aber auch immer Menschen, die einen anderen Geschmack haben als du. Ich wurde einer Kundin von vielen Leuten empfohlen. Aber nichts, was ich tat, gefiel ihr. Schließlich bat ich ihre Assistentin, die mich empfohlen hatte, jemanden herzuholen, der die Kundin schon bedient hatte, weil das mit uns einfach nicht harmonierte. Als ich ging, merkte ich erst, wie gestresst ich war, weil sich meine Fingernägel tief in meine Haut gebohrt hatten, es beinahe schon blutete. Zu gehen, war wie eine Erlösung. Diese Erfahrung war mir eine gute Lehre: Egal, wie gut du bist, du wirst nicht für jeden der Richtige sein. Aber es war okay für mich: Ich wurde trotz allem für den Job bezahlt! (lacht) Es fühlte sich natürlich furchtbar an, dass ich ihr nicht geben konnte, was sie wollte. Aber wir hatten einfach verschiedene Geschmäcker und Styles. Was ist deine schlimmste Story, Daniel?
Daniel: Ich war Haarmodel für die Meisterprüfung meines älteren Bruders. Allerdings habe ich eine kurze Nackenkontur. Mein Bruder wollte sie optisch verlängern, färbte mir deshalb die Haare sehr dunkel und die Haut unterhalb gleich mit. Aber als er den Fade geschnitten hatte, blieb ein schwarzer Balken auf meiner Haut im Nacken zurück. Unter den Haaren war die Haut ja weiß. Er hat trotzdem bestanden!

TOP HAIR: Und bei der Arbeit?
Daniel:
Irgendwann bin ich mal für meinen Vater eingesprungen und habe seine Kunden bedient. Aber sie sagten immer nur: Nein, dein Vater macht das aber immer so und du musst das so machen, nicht so. Es war also in etwa so, wie Noogie gerade erzählt hat: Du hast deinen eigenen Stil und deine eigene Klientel. Deswegen ist es so wichtig, dass du zeigst, welchen Stil du hast. Instagram hat es für Friseure in dieser Hinsicht viel einfacher gemacht: Man hat hier sein eigenes Lookbook. Magst du kein Blond, dann poste auch kein Blond, damit deine Kunden sich nicht auf eine Blondierung von dir beziehen können.
Noogie: Jeder hat seine eigene Ästhetik, der Friseur und der Kunde. Treffen also verschiedene Schönheitsvorstellungen aufeinander, wird es nicht funktionieren. Das bedeutet aber nicht, dass man einen schlechten Geschmack hat. Man hat einfach keine Verbindung zueinander.

TOP HAIR: Was ist denn dein liebstes Stylingtool?
Noogie:
Ein gutes, starkes Haarspray. Ich habe auch viele Kämme, aber gib mir ein starkes Haarspray und ich mache alles möglich! (lacht)

TOP HAIR: Und deins, Daniel?
Daniel:
Eine Foaming-Pomade oder eine Shaping-Paste, sodass sich das Haar gut kontrollieren lässt, ohne dass man das Produkt fühlt. Das Haar soll sich noch bewegen können.

TOP HAIR: Danke für das interessante wie amüsante Gespräch und eure Zeit.