30.05.2022
Friseurin auf der Walz
Die 21-jährige Friseurin Lea-Davida Daum tingelt von Salon zu Salon. Sie ist auf der Walz.
„Ich komme aus einer Friseurfamilie und deshalb war für mich völlig klar, dass ich keine Friseurin werden will“, erzählt Lea-Davida Daum im Gespräch mit TOP HAIR. Nach dem Realschulabschluss entschied sie sich für eine weiterführende Schule, merkte aber schnell: „Das erfüllt mich nicht.“ Also machte sie mehrere Praktika. Unter anderem bei einem Friseur. „Ich habe mir gesagt, gib dem eine Chance.“ Und vom ersten Moment an war Lea-Davida gefesselt: „Ich habe dann gesehen, dass es dabei auch um so viel Zwischenmenschliches geht und es eben nicht nur Chichi ist.“ Die Wahl fällt auf die Friseurausbildung – bewusst nicht im Salon ihres Onkels, um keine Vorzugsbehandlung zu bekommen. Im Herbst 2021 besteht sie die Gesellenprüfung mit „sehr gut“ und schon vorher war klar: „Ich brauche eine nächste Challenge.“
Alte Tradition in neuem Gewand
Bei der Suche nach dieser neuen Herausforderung stolperte sie über die Tradition der Walz: Von anderen lernen, sich weiterentwicklen und frei sein – der Grundgedanke der Walz, die man meist mit Zimmermann- oder Dachdeckergesellen in Verbindung bringt, gefiel ihr. Für Friseure ist das nicht vorgesehen. Warum eigentlich nicht? Und so tüftelte sie mit ihrem Vater an einem Plan für ihre ganz eigene Walz. Salons für ihre Reise suchte sie sich via Social Media. „Das ist heute unsere Visitenkarte. Wer da die Messlatte hochlegt, den möchte ich kennenlernen.“ Auf der Wunschliste stehen Salons, die eine interessante und spannende Außendarstellung haben, in denen sie etwas Neues ausprobieren kann und die auch andere Zielgruppen ansprechen als ihr ländlich geprägter Ausbildungssalon. Klingt alles prima, aber so einfach war es anfangs nicht: Der Weg in den ersten Salon war steinig und teils ernüchternd, erinnert sich Lea-Davida. Einige Salons, die sie angefragt hatte, waren erst einmal skeptisch. „Ich musste viel Überzeugungsarbeit leisten und mein Anliegen erklären.“ Es schwang wohl auch der Konkurrenzgedanke mit: „Ich würde mir wünschen, dass sich Friseure nicht als Konkurrenten sehen“, erklärt Lea-Davida Daum.
Vollwertiges Teammitglied
Inzwischen konnte die 21-Jährige bereits bei 16 Salons hinter die Kulissen schauen, bei 13 davon aktiv mitarbeiten. Bis September will sie noch unterwegs sein, bevor sie dann ihren Meister macht. 14 Tage bleibt sie in der Regel im Salon, betreut selbstständig Kund*innen, lernt aber auch neue Techniken und Produkte kennen. „Am ersten Tag im Salon habe ich natürlich viele Fragen und bekomme viel erklärt, ab Tag zwei bin ich aber ein vollwertiges Teammitglied, arbeite aber auch gerne als Assistentin“, berichtet Lea-Davida von ihren Einsätzen. Rechtlich auf sicheren Füßen steht sie in den meisten Bundesländern durch einen Praktikumsvertrag. Meist übernachtet sie in günstigen Hostels oder Hotels. Weitere Privat-Ausgaben finanziert sie selbst und mit Unterstützung ihrer Eltern: „Natürlich ist es für mich ein Privileg, die Unterstützung von meinen Eltern zu bekommen. Trotzdem fehlt auch mir mein monatliches Einkommen, und die Reise ist kostenintensiv. Es ist aber eine Investition in meine Zukunft und diese Eindrücke, Erfahrungen und auch einzigartigen Momente wünsche ich allen jungen Handwerkern, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen.“ Ihr Appell an Saloninhaber*innen: „Empfangt junge Friseure, die bereit sind Neues zu lernen und die andere Menschen glücklich machen möchten, of fenherzig und bezahlt sie fair.“ Die Friseurin ist sich sicher: „Es ist wichtig, das Nest zu verlassen. Und das werden die schönsten zehn Monate sein, die ich je hatte. Meine Reise ist jetzt schon jeden Cent wert!“
Einsätze werden festgehalten
Über jeden ihrer Einsätze führt die Friseurgesellin Buch, notiert sich Kleinigkeiten, die ihr aufgefallen sind, die den Alltag erleichtert oder erschwert haben. Auch die Salons freuen sich über ein Feedback von jemandem, der ganz neutral von außen draufschaut. Und dafür reichen 14 Tage? „Ja“, sagt Lea-Davida. „Wenn ich da bin, dann trage ich die Flagge des Salons auf dem Rücken, ich bin eine von ihnen.“ Inzwischen ist auch die HWK Koblenz auf sie aufmerksam geworden. Dank eines Stipendiums kann sie nun auch ins Ausland: Salons in Spanien und Italien warten auf sie und es gibt nur noch wenige Lücken in ihrem Kalender.
Auf dem Weg zum perfekten Salon?
Klingt ganz so, also könnte sie sich nach ihren Reisen den eigenen, perfekten Salon zusammenbauen. „Jein“, sagt Lea-Davida. „Das war mal mein Traum, aber jetzt, durch das Tingeln durch die Salons, könnte ich mir auch vorstellen, als Trainerin zu arbeiten. Ich bin da noch im Zwiespalt.“ Und selbst wenn aus beiden Plänen nichts wird: „In jedem Salon, in dem ich bislang war, wollte man mich am Ende einstellen“, erzählt die Friseurin freudig.
Text: Yvonne Rieken
Alte TraditionTraditionell geht ein Geselle drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft. Er darf sich in dieser Zeit nicht mehr als 50 Kilometer seinem Heimatort nähern. |